Tipps zur Unterwasserfotografie

Lieber angehender Unterwasserfotograf,
Dies ist sicher kein kurzer Eintrag. Leider lassen sich die wichtigsten Dinge der Unterwasserfotografie nicht mit drei Zeilen abhandeln. Nimmst du dir jedoch die Zeit, diese Tipps zu lesen, wirst du viele negative Erfahrungen nicht machen müssen, eine Menge Geld sparen, schneller zu guten Bildern kommen und Sympathiepunkte anstelle von Shitstorms erhalten…
Als guter Unterwasserfotograf ist es heute unumgänglich, nicht nur die Technik der Unterwasserfotografie, sondern, mindestens genauso wichtig,  auch deren Knigge  zu kennen.
Knigge der Unterwasserfotografie:
  1. Sei dir bewusst, dass an den meisten Tauchplätzen der Welt niemand Freudentänze aufführen wird, wenn du dich als Unterwasserfotograf/Filmer outest. Dies ist die harte und schonungslose Wahrheit!
    Die meisten Guides planen den Tauchgang nämlich so, dass sie in 50 Minuten Tauchzeit mindestens 1 km schwimmen und dir wenigstens 10 Drachenköpfe und 10 Nacktschnecken zeigen können. Dass du nur einen Drachenkopf, diesen dafür richtig (von allen Seiten, mit jeder möglichen Belichtung) fotografieren möchtest und dafür halt nun mal 10 Minuten brauchst und die Nacktschnecke dich gar nicht interessiert (da kein Makroobjektiv montiert) versteht weder er, noch dein dir ad hoc zugeteilter Buddy! Fotografiert er nicht selbst, wird er auch nie verstehen, wieso beim einen Tauchgang der Walhai topp und beim nächsten flopp ist und du dafür dann jede Gorgonie Zentimeter für Zentimeter absuchst, um endlich ein Pygmäen-Seepferdchen vor die Kamera zu bekommen.
    Deshalb gehen meine Unterwasserfotografie-Ferien wenn immer möglich an Plätze, wo die Guides den Umgang mit Fotografen kennen (zB. ein Guide und zwei oder drei Fotografen) oder an Orte, wo ich mit meinem Buddy/Model ohne Guide tauchen darf. So ärgere ich keine Nicht-Fotografen oder für wenig Geld hart arbeitende Guides. Und ja, es gibt diese Tauchdestinationen tatsächlich. Halte Ausschau nach Destinationen, welche Kameraräume haben, Unterwasserfotografie-Workshops anbieten oder frag via Reisebüro nach.


  2. Hast du so eine Destination gefunden, sei jederzeit, in jeder (Wasser-) Lage perfekt tariert und kenne deine Tauchausrüstung und deren Bedienung in- und auswendig, bevor du eine Kamera auf Tauchgänge mit nimmst. Der Check-Dive und eine Miet-Tauchausrüstung kombiniert mit einer Mietkamera sind der Garant für Stress und unbrauchbare Fotos.
    Dieser Tipp gilt auch für alle, die eine GoPro oder ähnliches besitzen. Die fragile Unterwasserwelt und die nachfolgenden Taucher danken!


  3. Nimm beim Fotografieren Rücksicht auf andere Taucher. Auch wenn sie die Nacktschnecke nicht fotografieren können/wollen, möchten sie sie mit Sicherheit trotzdem sehen.

  4. Unterwasserfotografie erfordert ein hohes Mass an Selbstständigkeit und Toleranz auch von deinem Tauchpartner. Während sich deine Unterwasserwelt auf wenigen Zentimetern abspielt geht der Buddy nur zu schnell vergessen und gerät buchstäblich ‘aus dem Fokus’!
    Sprich mit deinem Guide und deinem Buddy über deine (Fotografie-) Pläne. Dies hilft, Missverständnisse bezüglich der Tauchgangsplanung zu vermeiden und kann unter Umständen lebensrettend sein. Wenn du nämlich mehrere hundert Meter weg von deiner Gruppe auftauchst, weil du nur einen Viertel der geplanten Strecke zurücklegst, sucht dich dort niemand, es sei denn, dein Guide und das Boot kennen deine Pläne. Fotografiere ich, bin ich beim Briefing doppelt aufmerksam, da ich und mein Buddy dann meist auf uns gestellt und weit weg vom Guide und der Gruppe tauchen.


  5. Kenne die Unterwasserwelt. Wo finde ich was? Wie verhalten sich die Meeresbewohner. Wie weit reicht die Komfort-Zone eines bestimmten Fisches? Kannst du dich für ihn spannend machen, kommt er zu dir hin. Jagst du ihn, wird er schnell davon schwimmen und nicht zurück kommen. Habe ich überhaupt die Möglichkeit, das Sujet meiner Wahl mit meiner Kamera einzufangen (Makroobjektiv und Walhai oder Fisheye und Pygmäen-Seepferdchen)? Wenn nicht, lass andere mit der passenden Ausrüstung ihr Foto machen.

  6. Schwimm nach ein paar Aufnahme vom Sujet weg, lass anderen Zeit, ebenfalls ihre Aufnahmen zu machen und überprüfe in der Zeit deine Aufnahmen auf dem Bildschirm der Kamera. Denk auch daran, dass allein das Blitz- oder Fotolicht für viele Tiere bereits extremen Stress bedeutet, sie vielleicht sogar kurzfristig blind und so ein leichtes Fressen für Jäger werden.

  7. Riskiere während eines Tauchgangs ruhig mal einen Blick auf die Unterwasserwelt, ohne durch den Sucher zu schauen. Häufig ergeben sich spontan nur beim Vorbeitauchen perfekte Schnappschüsse. Und dein Buddy, welcher verzweifelt versucht, dir mitzuteilen, dass er auf 50 Bar ist, wird es dir danken.

  8. Und noch zum Schluss: Tauchsicherheit geht vor Fotografie! Sei stets bereit, deine Kamera anzuhängen oder sie notfalls zu deponieren, um deinem Partner zu helfen!

Und nun zum technischen Teil der Unterwasserfotografie:
  1. Wähle deine Fotoausrüstung sorgfältig. Unterwassergehäuse sind kostspielig und passen fast immer genau auf einen einzigen Kameratypen. Häufig macht es sogar Sinn, einen Reserve-Kamerabody zu beschaffen, solange er noch verkauft wird. Ist deine Kamera einmal defekt oder muss ersetzt werden, kostet ein neues Unterwassergehäuse für den Nachfolger schnell mehrere tausend Euros, während der zweite Kamerabody meist sobald der Nachfolger präsentiert wird, für wenig Geld erhältlich ist.
    Kaufe nur die Objektive die du brauchst. Ich verwende zur Unterwasserfotografie ein Fisheye 16 mm, ein Zoom-Weitwinkel 18-35 mm (für Fischportraits und als ‘es fällt mir nichts schlaueres ein’ Objektiv), ein Weitwinkel 35 mm Festbrennweite für Fischportraits und ein Makro 105 mm mit einer klappbaren Vorsatzlinse um bei Kleinstlebewesen den Abbildungsmassstab 2:1 zu erreichen.


  2. Kenne deine Kamera, ihre Grenzen und Einstellmöglichkeiten und übe an Land und im Pool. Speichere, wenn möglich Voreinstellungen. Komplexe Einstellungen im Menü sind über Wasser schon mühsam, unter Wasser auf 25 Meter Tiefe fast nicht mehr auszuführen. Versuche verschieden Blenden, Verschlusszeiten und Blitzeinstellungen am gleichen Test-Sujet unter gleichen Bedingungen und vergleiche die Resultate.

  3. Überprüfe deine Kamera auf einwandfreie Funktion unmittelbar vor jedem Tauchgang! Ist das Gehäuse sauber verschlossen? Ist der Blitzschuh (Hotshue) für den externen Blitz eingerastet? Lösen die Blitze aus und stimmt die Belichtung der Testfotos? Ist der Fokus-Schalter am Objektiv auf Automatik und nicht auf Manuell? Viele Objektive können unter Wasser nicht manuell scharf gestellt werden und der Schalter ist unzugänglich, ist die Kamera einmal im Gehäuse und der Port montiert!

  4. Gehe so nah wie möglich hin, bleib aber soweit wie notwendig weg, um Tiere nicht zu vertreiben. Fotos von flüchtenden Meeresbewohnern gewinnen keine Preise und verärgern deine Mittaucher. Vergiss nie, dass das Licht deiner Blitze den Weg doppelt zurücklegen müssen; vom Blitz zum Sujet und zurück zur Kamera. Bei Distanzen zum Sujet von mehr als zwei bis drei Metern wird Rot bereits herausgefiltert, die Bilder werden kontrastlos und flach.

  5. Lasse dir bei der Annäherung vor allem bei scheuen Meeresbewohnern Zeit. Nähere dich von unten und lass immer einen Fluchtweg offen. Wir sind Eindringlinge in ihrer Welt und ihrem Revier. Nach einer gewissen Zeit gewöhnen sie sich an dich und ignorieren dich sogar, wenn du dich nicht bedrohlich verhältst. Und was für Portrait an der Luft gilt, gilt auch unter Wasser; niemand wird gerne von hinten abgelichtet. Beachte die Perspektive und den Goldenen Schnitt. Fotografiere nicht von oben sondern auf Augenhöhe.

  6. Hast du das Sujet für dein Bild entdeckt, lasse dir Zeit. Positioniere dich richtig, mach mehr als nur eine Aufnahme. Vor allem bei Makrofotografie geschieht es gerne, dass sich ein Schwebeteilchen im Wasser zwischen die Kamera und dein Sujet ‘verirrt’ und die Aufnahme unbrauchbar macht oder die Scharfstellung auf einen falschen Fokuspunkt erfolgt.

  7. Berücksichtige das Wetter, den Sonnenstand (Tageszeit) und den Seegang bei der Wahl des Objektivs. Schlechtes Wetter ohne Sonne und schlechte Sicht sind für Makrofotografie meist irrelevant, da genügend Licht von der mitgeführten Lichtquelle vorhanden ist uns sich wenig Wasser zwischen der Kamera und dem Sujet befindet. Dafür machen starke Strömung oder unter Wasser spürbare Dünung vernünftige Makrofotografie fast unmöglich. Weitwinkel- und Fisheye-Fotografie von Riffszenarien brauchen viel Licht, am Besten eine hell scheinende Sonne, welche Strahlen im Wasser produziert. Überhaupt spielt unter Wasser das Licht eine wichtige Rolle. Darum ist es auch sehr wichtig, die Ausrichtung deiner externen Lichtquelle(n) immer wieder zu überprüfen. Für Weitwinkelfotografie ist bei vielen Aufnahmen die V-Positionierung die richtige Wahl (Blitze beleuchten von schräg oben nach unten und von seitlich aussen gegen vorn das Sujet). Dadurch entsteht der Eindruck, dass Tageslicht das Sujet beleuchtet. Für Makrofotografie werden die Blitze oder der Blitz häufig nah neben und auf Höhe der Kamerlinse positioniert. Jedoch ist sind der Positionierung der externen Lichtquelle(n) kaum Grenzen gesetzt und es lohnt sich, damit auch zu experimentieren.
    Ein wichtiges Augenmerk sollte auch immer auf den sogenannten Backscatter gerichtet werden (auf Deutsch: Rückstreuung = Partikel, welche durch den Blitz oder die Lampe unbewusst angeleuchtet wurden und als störende weisse Punkte/’Schnee’ auf dem Bild erscheinen). Es ist deshalb wichtig, so wenig Wasser wie möglich direkt zwischen der Kameralinse und dem Sujet zu beleuchten. Beleuchtet soll nach Möglichkeit nur das Sujet werden. Leider ist Backscatter auf dem meist relativ kleinen Kamerabildschirm unsichtbar und fällt erst bei der Nachbearbeitung auf. Dann ist es aber auch zu spät, die Position der Lichtquelle zu verändern und vielfach sind die Bilder dann unbrauchbar…
    Backscatter


  8. Fotografiere nach Möglichkeit nicht nach unten. 99% der Bilder, welche ich mit nach unten gerichteter Kamera fotografiert hatte, landeten direkt im virtuellen Papierkorb. Sie sind dunkel und wirken kalt. Richte deine Kamera wenn immer möglich gegen die Wasseroberfläche.

  9. Fotografiere, sofern deine Kamera das erlaubt, immer im RAW-Format. Nur dann kannst du den Weissabgleich und viele weitere Fein-Korrekturen bei der Nachbearbeitung verlustfrei am PC vornehmen.

  10. Ebenfalls zur Fotoausrüstung gehört im Zeitalter der digitalen Fotografie der PC/Mac und die dazugehörige Software zur ‘Entwicklung’ der Bilder. Kauft man sich zB. eine Nikon D850 und fotografiert in RAW (alles andere macht keinen Sinn, da nur bei RAW gewisse Einstellungen im Nachhinein gemacht werden können und beim Format JPG bei jedem erneuten Speichern des Bildes die Qualität abnimmt), entstehen selbst mit der Funktion ‘Verlustfrei komprimiert’ Bilddateien von über 50 MB! Dies gilt bei der Auswahl der Hard- und Software zu berücksichtigen. Ansonsten werden selbst simpelste Veränderungen am Bild zu mehrminütigen Arbeitsschritten und der Kreis oder der Beachball hören nicht mehr auf zu drehen.
    Welches Bildbearbeitungsprogramm verwendet wird, ist Geschmacksache. Fakt ist, dass nur wenige Programme stets weiterentwickelt werden und sie alle ihre Stärken und Schwächen haben. Ich persönlich empfehle rein zur Bearbeitung Adobe Photoshop oder DXO Photolab, zur Bearbeitung und Archivierung Adobe Lightroom. Das Kapitel der Nachbearbeitung und deren Möglichkeiten ist heute so wichtig, dass allein dafür ganze Kurse und Seminare angeboten werden. Tiefer gehende Infos dazu würden den Rahmen dieser Webseite sprengen.


  11. Der letzte Tip betrifft die Einstellungen. Leider gibt es kein ‘Rezept’ fürs perfekte Bild. Jede Kamera hat ihre Stärken und Schwächen und ihren empfohlenen Einsatzbereich. Ich fotografiere unter Wasser fast ausschliesslich mit manuellen Einstellungen, abgesehen von der Blitzbeleuchtung. Grundsätzlich gilt folgendes:
    ISO: Unterwasser trifft man häufig sogenannte ‘low-light situations’ an. Das durch das Wasser dringende Tageslicht wird gefiltert und es entsteht eine dämmrige Stimmung. Hier hilft es, wenn die Kamera auch bei wenig Kontrast scharf stellt und auch bei höheren ISO-Zahlen noch brauchbare Bilder entstehen. Aber Achtung: Höhere ISO-Zahlen verringern einerseits den Farbraum sprich, die Fähigkeit der Kamera, das ganze Farbspektrum abzubilden und anderseits erhöht sich das Bildrauschen.

    Bildrauschen der Nikon D750 bei unterschiedlichen ISO-Zahlen

    Das heisst, ISO so tief wie möglich aber so hoch wie notwendig. Bei Makrofotografie ist dies selten ein Thema. Bei Weitwinkel- und Fisheyeaufnahmen ist das Umgebungslicht ein entscheidender Faktor und macht die Bilder erst sehenswert.
    Verschlusszeit: Anders als an Land kann Unterwasser mit einer Verschlusszeit bis 1/80 Sek. ohne Stativ fotografiert werden (sofern das Motiv sich nicht zu stark bewegt), da Wasser durch die hohe Dichte eine stabilisierende Eigenschaft aufweist. Für bewegte Motive wie Fischschwärme ist allerdings 1/100 Sek. meist das Maximum der Gefühle. Danach entstehen bereits Unschärfen durch die Bewegung. Wird mit externen Blitzen gearbeitet, ist die maximale Blitzsychronzeit meist 1/250 oder 1/200 Sek. Bei kürzeren Verschlusszeiten funktionieren die Blitze im Modus TTL nicht mehr korrekt. Wird der halbautomatische Modus ‘S’/’Tv’ (Blendenautomatik) verwendet, wird die Verschlusszeit auf einen festen Wert eingestellt und die Blendenzahl wird von der Kamera berechnet.
    Blende: Die Blende ist bei der Makrofotografie ein kreatives Element und beeinflusst direkt den Bereich, welcher scharf abgebildet wird. Höhere Blendenzahlen bewirken eine grössere Schärfentiefe und lassen so mehr vom Bild scharf erscheinen. Kleinere Blendenzahlen reduzieren den scharfen Bereich und können so das Auge des Betrachters gezielt auf einen Punkt fokussieren.

Bei Weitwinkel- und Fisheyeaufnahmen verwende ich meist eine relativ hohe Blendenzahl. Erfahrungsgemäss erreiche ich bei meinen Nikons das schönste Blau mit Blende 16. Natürlich muss hierfür ausreichend Licht vorhanden sein, dass die Belichtungszeit von 1/80 Sek. ausreicht. Wird der Modus ‘A’/’Av’ (Verschlusszeitautomatik) verwendet, wird die Blende auf einen fixen Wert eingestellt werden und die Kamera berechnet die notwendige Verschlusszeit für eine korrekte Belichtung.
Wichtig!: Die Bildschirmhelligkeit der Kamera muss richtig eingestellt sein. Ein zu hell eingestellter Kamerabildschirm verleitet leicht zu Unterbelichtung. Dies ist vor allem bei Nachttauchgängen ein Detail, das gerne vergessen geht. Fotografiere tendenziell eher zu dunkel. Mit der heutigen Software zur Nachbearbeitung am PC/Mac ist es einfach, ein dunkles Bild aufzuhellen. Überbelichtete Stellen sind einfach weiss und bleiben es auch mit der besten Software, weil sie keinerlei Farbinformation mehr enthalten. Dunkle Stellen enthalten viel Bildinformation und können leicht und mit viel Detail aufgehellt werden. Hast du eine Histogrammansicht zur Verfügung, wähle diese und achte auf das sogenannte Clipping. Meine Kameras verfügen bei der Anzeige des Bildes über die ‘Lichter-Anzeige’. Dabei leuchten die Stellen ohne Farbinformation auf dem Kamerabildschirm weiss auf und zeigen die überbelichteten Bereiche an. Verwende dann eine kürzere Belichtungszeit, eine höhere Blendenzahl oder verringere den ISO-Wert.

Und nun ist genug der Theorie, denn es ist wie bei vielen anderen Dingen im Leben, Übung macht den Meister!